Besondere Situationen – Belästigung am Arbeitsplatz – Psychologische Belästigung

Bei einer psychologischen Belästigung – ob diese nun vom Arbeitgeber selbst, einer Dritt­person oder mehreren Dritt­personen innerhalb des Unternehmens ausgeübt wird – werden die Persönlichkeits­rechte des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin verletzt.

Als Persönlichkeitsrechte bezeichnet man alle Rechte, die einem Menschen alleine aufgrund seiner Existenz zustehen; dazu gehören etwa das Recht auf Leben, auf physische und mora­lische Integrität – zu der auch die berufliche oder wirtschaftliche Reputation gehört –, das Recht auf die Wahrnehmung der individuellen Freiheiten wie etwa der Gewissensfreiheit, der Koalitionsfreiheit und der sexuellen Freiheit ebenso wie das Recht auf eine Privatsphäre, zu der auch die Intimsphäre gehört.

Der Arbeitgeber muss in erster Linie selbst davon absehen, die Persönlichkeitsrechte seiner Arbeitnehmer/innen direkt oder indirekt zu verletzen.

Beispiel 1:
Wenn ein Arbeitgeber von der Schwangerschaft seiner Arbeitnehmerin erfährt, kann er versucht sein, auf sie Druck auszuüben, damit sie ihre Stelle aufgibt. Solche Machenschaften sind gesetzeswidrig.

Beispiel 2:
Er muss im Rahmen des Möglichen auf Arbeitnehmerinnen und ihre fami­liären Verpflichtungen Rücksicht nehmen, wenn sie beispielsweise Kinder haben.

Der Arbeitgeber muss aber auch alle erforderlichen Massnahmen ergreifen, damit seine Arbeitnehmenden nicht Opfer einer psychologischen Belästigung durch Dritte werden (die Arbeit entsprechend organisieren, die notwendigen Richtlinien erlassen und überwachen, Übergriffe ahnden usw.).

Wie sich eine Frau verhalten sollte, die aufgrund ihrer Schwangerschaft psychologisch be­lästigt wird und die man vom Arbeitsplatz verdrängen oder dazu bringen will, ihre Arbeit aufzugeben, hängt selbstverständlich von der jeweiligen Situation ab.
Falls die psychologische Belästigung erträglich bleibt, liegt es im Interesse der Frau zu sagen, sie gedenke die Arbeit nach dem Mutterschaftsurlaub wieder aufzunehmen, auch wenn dem nicht so ist. Nach der Niederkunft kann sie immer noch nach eigenem Gutdünken kündigen, selbstverständlich unter Einhaltung von Kündigungsfrist und -termin.

Leider kann eine psychologische Belästigung in gewissen Fällen aber auch schwerwiegender sein und Folgen für die physische oder psychische Gesundheit der Arbeitnehmerin haben.

Beispiel 1:
Gibt jedoch Fälle von schwerem Mobbing. Wenn z.B. ein Arbeitgeber seine schwangere Arbeitnehmerin in einem Zimmer isoliert, ohne ihr Arbeit zuzuweisen, und ihr verbietet, das Zimmer ausser zum Besuch des WCs zu verlassen, ihr jegliche Tätigkeit untersagt (selbst das Zeitunglesen), auch die Unterhaltung mit ihren Kolleginnen, verletzt er eindeutig seine Schutzpflicht. Kündigt die schwangere Arbeitnehmerin fristlos aus triftigem Grund, so ist sie berechtigt, ihren Lohn bis zum Ablauf der geschützten Kündigungsfrist einzufordern (Dauer der Schwangerschaft plus 16 Wochen nach der Niederkunft) (Klage Nr. X/455/93 Appellationshof des Arbeitsgerichts Genf, nicht veröffentlicht).

Beispiel 2:
Ebenso ist eine schwangere Arbeitnehmerin, die aus triftigem Grund fristlos entlassen wird wegen unüberwindlicher Spannungen zwischen ihr und ihrem Vorgesetzten, berechtigt, den Lohn bis Ablauf der geschützten Kündigungsfrist sowie eine Genugtuung wegen unrechtmässiger Entlassung zu verlangen (Art. 337 und 337c OR). Übrigens ging es hier um die Rückgabe eines Ordners, der weder vertrauliche noch dem Unternehmen gehörende Akten enthält. Zu beachten ist, dass die Schwangerschaft in dieser Angelegenheit nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint (Klage Nr. IX/1109/94, Appellationshof des Arbeitsgerichts Genf, nicht veröffentlicht).

Beispiel 3:
Manchmal auferlegt der Arbeitgeber der schwangeren Arbeitnehmerin absichtlich beschwerliche Arbeiten, um sie so zur Kündigung zu bewegen. Ein solches Verhalten wiegt schwer, da es die Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet und den Verpflichtungen des Arbeitgebers gemäss Arbeitsgesetz widerspricht.

Bei einer psychologischen Belästigung hat das Opfer mehrere Klagemöglichkeiten, eventuell auch über eine Gewerkschaft.

Klage durch die betroffene Person

Die betroffene Person kann auf der Grundlage des Obligationenrechts Klage gegen den Arbeit­­geber einreichen, weil dieser ihre Persönlichkeit nicht geschützt hat. Dies ist möglich, wenn es sich entweder um einen privatrechtlichen Arbeitgeber handelt oder um einen öffent­­lich-rechtlichen Arbeitgeber, bei dem die Gesetze, die seine Tätigkeit regeln, auf das Obliga­tionen­recht verweisen. Im letzteren Fall bleibt man jedoch im Bereich des Ver­wal­tungs­rechts.
Durch ein solches Vorgehen tritt der oder die betroffene Arbeitnehmer/in in einen Konflikt mit dem Arbeitgeber, der vor einem Gericht verhandelt werden muss. Diese Art von Lösung wird bei laufenden Arbeitsverhältnissen nur selten gewählt.

Eingreifen des Staates

Die betroffene Person kann auf der Grundlage des Arbeitsgesetzes handeln, das die Persön­lichkeit der Arbeitnehmenden schützt und schwangeren Frauen, Frauen nach der Nieder­kunft und stillenden Müttern einen besonderen Schutz bietet. Das Arbeitsgesetz muss jedoch auf den spezifischen Fall anwendbar sein. Bei diesem Vorgehen muss sich die betroffene Person an das Arbeitsinspektorat werden; dieser Weg ist am effizientesten. In diesem Fall interveniert der Staat und verpflichtet den Arbeitgeber, das Problem zu beheben.

Falls er dies nicht tut, kann der Staat administrative oder strafrechtliche Sanktionen erlassen oder den Fall gar der Bundesanwaltschaft melden. Wenn ein Arbeitgeber seiner schwangeren Arbeitnehmerin ohne Rücksicht auf ihren Zustand absichtlich beschwerliche Arbeiten über­trägt, kann der kantonale Arbeitsinspektor ihr raten, die Arbeit zu verweigern. Der Arbeit­geber muss eine solche Weigerung akzeptieren und ist gleichzeitig zur Lohnzahlung ver­pflich­tet. Auch kann er daraus keinen Grund für eine Entlassung ableiten.

Eine Klage aufgrund des Gleichstellungsgesetzes ist ebenfalls möglich, wenn die Belästigung sexueller Art ist (vgl. Kapitel Sexuelle Belästigung).