Besondere Situationen – Diskriminierung am Arbeitsplatz – Verfahrensfragen

Privatrechtlichen Arbeitsverträge

Bei diskriminierender Ablehnung der Anstellung

Personen, deren Bewerbung für eine Anstellung nicht berücksichtigt worden ist und die eine Diskriminierung geltend machen, können vom betreffenden Arbeitgeber eine schriftliche Begründung seiner Entscheidung verlangen (Art. 8 Abs. 1 GlG).

Der Anspruch auf eine Entschädigung wegen diskriminierender Ablehnung der Anstellung ist verwirkt, wenn nicht innert drei Monaten, nachdem der Arbeitgeber die Ablehnung der Anstellung mitgeteilt hat, Klage erhoben wird (Art. 8 Abs. 2 GlG).

Bei diskriminierender Kündigung des Arbeitsvertrags

Wie bei einer Diskriminierung bei der Anstellung kann die entlassene Person einen Anspruch auf Entschädigung durch ihren Arbeitgeber geltend machen.

Wer eine Entschädigung geltend machen will, muss gegen die diskriminierende Kündigung seines Arbeitgebers schriftlich Einsprache erheben, und zwar spätestens bis zum Ende der Kündigungsfrist (Art. 9 GlG mit Hinweis auf Art. 336b OR).

Beispiel:
Als Teilzeitangestellte erhält Frau Y die Kündigung und stellt fest, dass sämtlichen Teilzeitangestellten, d.h. vorwiegend Frauen und insbesondere den älteren unter ihnen, ebenfalls gekündigt worden ist. Es handelt sich um eine indirekte Diskriminierung: Das Kriterium für die Kündigung ist die Teilzeitarbeit und nicht das Geschlecht. In Wirklichkeit sind jedoch nur die Frauen betroffen. Deshalb ist die gegen Frau Y und ihre Kolleginnen ausgesprochene Kündigung sehr wohl diskriminierend.

Entschädigung

Wenn die Einsprache gültig ist und sich die Parteien nicht über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einigen, so kann die Arbeitnehmerin, der gekündigt worden ist, ihren Anspruch auf Entschädigung geltend machen.

Wird nicht innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage anhängig gemacht, ist der Rechtsanspruch verwirkt (Hinweis in Art. 9 GlG auf Art. 336b Abs. 2 OR).

Festzuhalten ist, dass das Gericht keine Befugnis hat, die Wiedereinstellung der Arbeitnehmerin gegen den Willen des Arbeitgebers anzuordnen, dies im Gegensatz zur Rachekündigung (siehe unten).

Schutz vor Rachekündigung

Eine Rachekündigung ist eine Kündigung, die der Arbeitgeber gegenüber dem oder der Arbeitnehmer/in ausspricht, weil dieser oder diese eigene Rechte ausgeübt hat: innerbetriebliche Beschwerde gegenüber einem Vorgesetzten oder einer anderen zuständigen Stelle im Betrieb und/oder Anrufung einer Schlichtungsstelle oder des Gerichts. Eine solche Kündigung ist im Sinne von Art. 336 OR missbräuchlich. Art. 10 GlG wollte diesen Schutz im Bereich der Gleichberechtigung noch verstärken.

Eine Rachekündigung ist nicht nichtig. Sie bleibt gültig, ausser wenn sie von einem Gericht für ungültig erklärt wird. In diesem Fall ist das Urteil rückwirkend wirksam, was bedeutet, dass sich die beiden Parteien wieder in der gleichen Situation befinden wie vor der Kündigung (Art. 10 Abs. 1 GlG). Die Arbeitnehmerin, die dem Arbeitgeber eine Wiederaufnahme der Arbeit vorgeschlagen haben muss, hat Anrecht auf eine Wiedereinstellung, sofern der Arbeitgeber keine gerechtfertigten Gründe für die Kündigung geltend machen kann (beispielsweise Nichtbeachtung der Anweisungen des Arbeitgebers, schwerwiegender Fehler, Umstrukturierung …).

Dauer des Kündungsschutzes:
Der Kündigungsschutz gilt für die Dauer eines innerbetrieblichen Beschwerdeverfahrens, eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens sowie sechs Monate darüber hinaus (Art. 10 Abs. 2 GlG).

Die Arbeitnehmerin muss das Gericht vor Ende der Kündigungsfrist anrufen (Art. 10 Abs. 3 GlG).

Das Gericht kann die provisorische Wiedereinstellung der Arbeitnehmerin für die Dauer des Verfahrens anordnen, wenn es wahrscheinlich erscheint, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung der Kündigung erfüllt sind (Art. 10 Abs. 3 GlG). In diesem Fall hat die Arbeitnehmerin Anrecht auf ihren vollen Lohn, so als ob es nie einen Arbeitsunterbruch gegeben hätte.

Die Arbeitnehmerin kann aber im Laufe des Verfahrens auch auf die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses verzichten und statt einer Aufhebung der Kündigung eine Entschädigung verlangen (Art. 10 Abs. 4 GlG). In der Praxis ist eine Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses eher selten. Aber Vorsicht: Im Falle einer Wirtschaftskrise droht der Arbeitnehmerin eine Strafe der Arbeitslosenversicherung, wenn sie die Entschädigung wählt.

Dieser Schutz gilt sinngemäss für Kündigungen, die wegen der Klage einer hiezu befugten Organisation (Art. 10 Abs. 5 GlG) ausgesprochen wurden.

Der Richter legt die Entschädigung unter Würdigung aller Umstände fest (Dauer des Arbeitsverhältnisses etc.). Sie darf den Betrag nicht übersteigen, der dem Lohn der Arbeitnehmerin für sechs Monate entspricht. Schadenersatzansprüche aus einem andern Rechtstitel sind vorbehalten (Hinweis in Art. 10 Abs. 4 GlG auf Art. 336a Abs. 2 OR).

Missbräuchliche Kündigung ausserhalb der Schutzfrist

Erfolgt die Auflösung durch den Arbeitgeber ausserhalb der Schutzfrist, so kann versucht werden, auf missbräuchliche Entlassung zu klagen (Art. 336ff OR).

Eine Kündigung ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht, weil die andere Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht (Art. 336 Abs. 1 Bst. d OR).

Bestehen ausreichende Hinweise darauf, dass die Kündigung ausgesprochen wurde, nachdem die Arbeitnehmerin ein verfassungsmässiges Recht ausgeübt hat, so kann das Gericht von einem Missbrauch ausgehen, es sei denn, der Arbeitgeber beweise die Stichhaltigkeit seiner Begründung.

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Öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse

Die betroffene Person hat lediglich Anspruch auf eine Entschädigung, nicht jedoch auf Anstellung. Die Entschädigung darf den Betrag nicht übersteigen, der vermutlich drei Monatslöhnen entsprochen hätte. Personen, deren Bewerbung nicht berücksichtigt worden ist, können eine Entschädigung direkt mit der Beschwerde gegen die abweisende Verfügung verlangen. Sind mehrere Personen Opfer einer diskriminierenden Ablehnung bei der Besetzung eines Postens, wird die Entschädigung unter den Betroffenen aufgeteilt (Art. 13 Abs. 2 GlG).

Der Schutz vor Rachekündigung gilt nicht für öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse.

Das Verfahren ist kostenlos, ausgenommen sind Fälle von mutwilliger Prozessführung (Art. 13 Abs. 5 GlG).

Staatspersonal

Für das Staatspersonal kommt insbesondere im Hinblick auf die Organisation und den Zugang zum Gericht das Verfahren gemäss dem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) und dem Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht (VGG, SR 173.32) zur Anwendung (Art. 13 GlG). Bei einem Beschwerdeverfahren im Zusammenhang mit Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis gelten die Bestimmungen von Art. 35 und 36 des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 (BPG, SR 172.220.1). In Art. 13 und 14 dieses Gesetzes sind die besonderen Bestimmungen für Streitigkeiten festgelegt, die bei einer Kündigung zur Anwendung kommen.

Kantonale und Gemeindeangestellte

Alle Verwaltungen des Kantone und Gemeinden legen ihre eigenen Regelungen in einem Personalstatut fest, auf deren Bestimmungen man sich daher beziehen muss. Sie können spezifische Verfahrensregeln enthalten, die parallel zu den üblichen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens zur Anwendung kommen. Die Rechtswege und das Verfahren, die im Bereich der Gleichstellung von Mann und Frau gelten, entsprechen denen des kantonalen Verfahrensrechts, das heisst also den kantonalen Gesetzen über die Gerichtsverfassung und die Verwaltungsverfahren. Im Gegensatz zum Zivilverfahren ist das Verwaltungsverfahren auf Bundesebene nicht vereinheitlicht.