Informationspflicht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber muss die Arbeitnehmerinnen via Anschlagbrett oder auf andere Weise über die besonderen Schutzvorschriften bei Mutterschaft informieren (Art. 47 Abs. 1 Bst. b ArG, Art. 69 Abs. 2 ArGV 1).
Bei gefährlichen Arbeiten: Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Frauen mit beschwerlichen und gefährlichen Arbeiten vom Augenblick der Anstellung an (die Verordnung spricht von «nützlicher Frist») über die mit der Schwangerschaft und der Mutterschaft in Zusammenhang stehenden Gefahren und Massnahmen rechtzeitig, umfassend und angemessen informiert und dementsprechend angeleitet werden (Art. 63 Abs. 4 ArGV1).
Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, das die Arbeitnehmerinnen die Risiken, denen sie ausgesetzt sind, sowie die Massnahmen, die zu ergreifen sind, kennen und verstehen. Er muss sie anweisen, wie mögliche Gefahren zu vermeiden sind, und sie über die Umsetzung der Massnahmen, die zum Schutze erforderlich sind, aufklären. Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass diese Massnahmen umgesetzt werden und hat allenfalls für ihre Durchsetzung zu sorgen. Die Mitarbeiterinnen tragen ihrerseits eine gemeinsame Verantwortung und verpflichten sich dadurch zu einer Teilnahme und Kooperation (Art.6 al. 3 ArG)
Schwangeren oder stillenden Arbeitnehmerinnen ist anzuraten, vom Arbeitgeber Auskunft über die Produkte zu verlangen, mit denen sie arbeiten. Diese Daten sind auf der Sicherheitskartei ersichtlich, welche jede Lieferung toxischer Produkte begleitet.
Diese Informationspflicht besteht bei jeder Änderung der Bedingungen von beschwerlichen und gefährlichen Arbeiten im Betrieb.
Informationspflicht der Frau
Es werden zwei Phasen unterschieden: vor der Einstellung und nach der Einstellung.
Vor der Einstellung
Eine Arbeitnehmerin ist nicht verpflichtet, von sich aus eine Schwangerschaft zu melden. Falls der Arbeitgeber beim Vorstellungsgespräch Fragen stellt wie: «Sind Sie schwanger?» oder
«Beabsichtigen Sie, in absehbarer Zeit Kinder zu haben?» und die Schwangerschaft nicht unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeitsleistung hat, sind diese Fragen rechtswidrig. Sie betreffen die gegen Einmischung des Arbeitgebers geschützte Privatsphäre und verletzen das Diskriminierungsverbot bei einer Anstellung gemäss Art. 3 Abs. 1 und 2 des Gleichstellungsgesetzes.
Es gibt somit ein «Recht auf Lüge». Denn die Bestimmungen, wonach vor Vertragsabschluss dem Prinzip von Treu und Glauben zu folgen ist, müssen restriktiv interpretiert werden. Sie dürfen sich nur auf Bereiche beziehen, die direkt mit der Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit in Zusammenhang stehen. Die Arbeitnehmerin ist daher nicht verpflichtet, sich an die Wahrheit zu halten, falls sie sich gegen eine Einmischung in ihre Privatsphäre wehren muss. Auch kann sich der Arbeitgeber nicht auf diese Lüge berufen, um eine Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen absichtlicher Täuschung (Art. 23ff. OR) oder eine fristlose Kündigung zu begründen.
Ausnahme:
Anderseits erachtet man dieses «Recht auf Lüge» in jenen Fällen als nicht zulässig, wo die Schwangerschaft die Arbeitnehmerin an der Ausübung der vereinbarten Arbeit hindern würde (Tänzerin, Mannequin, die Schwangerschaft gefährdende Arbeiten − Strahlungsexposition, Handhabung toxischer Produkte − oder bei einer körperlich anstrengenden Tätigkeit wie z.B. jene einer Serviceangestellten − JAR 1984 S. 95). In diesen Fällen hat der Arbeitgeber das Recht, Fragen hinsichtlich einer bestehenden oder in nächster Zeit geplanten Schwangerschaft zu stellen, die von der Arbeitnehmerin wahrheitsgetreu zu beantworten sind.
Nach der Einstellung
Eine Frau, die von den für schwangere Frauen vorgesehenen Schutzbestimmungen profitieren will, muss den Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft informieren.
Informationspflicht des Arztes
Bei beschwerlichen und gefährlichen Arbeiten ist die Beurteilung des Gesundheitszustandes durch den Arzt oder die Ärztin vorzunehmen, der oder die im Rahmen der Schwangerschaft die Arbeitnehmerin medizinisch betreut (Art. 2 Abs. 2 Mutterschutzverordnung).
Das Arztzeugnis muss nur den Vermerk «ungeeignet», «geeignet», oder «bedingt geeignet» enthalten (Art. 45 Abs.5 ArGV1). Die ärztlichen Angaben sind vertraulich.
Bei bedingter Eignung werden die untersuchenden Ärzte vom ärztlichen Berufsgeheimnis gegenüber dem Arbeitgeber soweit entbunden, als es für das Treffen von Massnahmen im Betrieb notwendig ist und die betroffene Arbeitnehmerin einwilligt (Art. 45 ArGV 1).
Das Datenschutzgesetz (DSG Art. 8) und das ArGV 1 (Art. 89) räumen der Betroffenen den Anspruch auf Information ein. Die betroffene Frau hat das Recht auf Einsicht in ihr Dossier, auf Auskunft, Berichtigung und Löschung von Daten. Der Arbeitgeber muss die Daten gratis und schriftlich, in Form eines Ausdrucks oder einer Fotokopie, abgeben (Art. 8 Abs. 5 DSG). Niemand kann von vornherein auf sein Recht auf Information verzichten (Art. 8 Abs. 6 DSG).
Abgesehen von einigen Ausnahmen dürfen besonders schützenswerte Personendaten (z.B. über den Gesundheitszustand der Mutter etc.) nur weitergegeben werden, wenn die Arbeitnehmerin von der Bekanntgabe und dem Umfang der Daten Kenntnis hat und ihr die Gelegenheit gegeben wird, sich dazu zu äussern (Art. 83 Abs. 1, 2 und 3 ArGV 1).
Die Einwilligung der betroffenen Person wird vorausgesetzt, wenn die Bekanntgabe der Personendaten für den Adressaten von grösster Dringlichkeit ist, diese im Interesse der Arbeitnehmerin ist und die Stellungnahme der betroffenen Person nicht innert nützlicher Frist erfolgen kann (Art. 44a neu Abs. 3 ArG, Art. 83 Abs. 4 ArGV 1).
Schützenswerte Personendaten von schwangeren Frauen oder stillenden Müttern, die beschwerliche oder gefährliche Arbeiten ausführen, dürfen Drittpersonen, welche deren Interessen wahrnehmen, auf begründetes schriftliches Gesuch hin bekannt gegeben werden, sofern die betroffene Person schriftlich eingewilligt hat (Art. 44a neu Abs. 2 ArG).
In diesem Fall besteht keine Informations- oder Rücksprachepflicht gegenüber Arbeitnehmer/innen und deren Vertreter/innen im Betrieb.
Werden Spezialisten, Experten oder Fachinspektoren beigezogen, haben diese Dritten gegenüber über alles, was sie in Ausübung ihres Amtes erfahren, Stillschweigen zu wahren. Sie werden schriftlich auf diese Schweigepflicht aufmerksam gemacht (Art. 44 ArG, Art. 82 Abs. 1 und 2 ArGV 1).