Das neue Familienzulagengesetz (FamZG, SR 836.2) vom 24. März 2006, das am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, unterstellt alle Familienzulagen einer eidgenössischen Regelung.
Es definiert die Familienzulagen als einmalige oder periodische Geldleistungen, die ausge-richtet werden, um die finanzielle Belastung durch ein oder mehrere Kinder teilweise auszu¬gleichen (Art. 2 FamZG).
Mit Ausnahme der Zulagen für Landwirte und Landwirtschaftsangestellte, die bereits vorher Gegenstand eines Bundesgesetzes waren, waren vor Inkrafttreten des FamZG ausschliesslich die Kantone für die Familienzulagen zuständig oder aber diese Frage wurde von gewissen Berufs- und Branchenverbänden privat geregelt.
Deshalb gab es in der Schweiz rund 50 verschiedene Familienzulagensysteme, 26 kantonale Lösungen für Arbeitnehmende, diverse kantonale Systeme für Selbständigerwerbende und Nichterwerbstätige sowie eine Bundeslösung für den landwirtschaftlichen Bereich. Für diesen Bereich bleibt das Bundesgesetz über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG) nach wie vor als besonderes Gesetz in Kraft.
Das eidgenössische Rahmengesetz
Das FamZG ist ein Rahmengesetz, das die Mindesthöhe der Kinderzulagen und der Aus-bildungszulagen festlegt.
Es sieht vor, dass alle Kantone verpflichtet sind, den Eltern pro Kind bis 16 Jahren min-destens 200 Franken als Kinderzulage und pro Kind zwischen 16 und 25 Jahren mindestens 250 Franken als Ausbildungszulage zukommen zu lassen.
Die Kantone können in ihren Familienzulagenordnungen höhere Mindestansätze für Kinder- und Ausbildungszulagen sowie auch Geburts- und Adoptionszulagen vorsehen. Dabei kann es sich auch um eine einmalige Leistung handeln (Art. 3 Abs. 2 FamZG). Zudem kann sich eine Familienzulagenkasse auch grosszügiger zeigen, was die Differenzen zwischen den Kantonen erklärt. Eine Übersichtstabelle mit den verschiedenen kantonalen Ansätzen der Zulagen findet sich auf dem Merkblatt 6.08 BSV, S. 3.
Die 26 kantonalen Familienzulagenverordnungen regeln die Organisation der Familienausgleichskassen. Neben diesen öffentlichen Kassen, denen namentlich die nicht erwerbstätigen Personen angehören, gibt es in der Schweiz über 500 private, berufliche oder branchenspezifische Familienausgleichskassen. Einem Arbeitgeber steht es grundsätzlich frei, welcher Kasse er sich anschliessen will. Öffentlich-rechtliche Gesetze oder der GAV be¬stimmter Branchen können diese Wahlfreiheit allerdings einschränken.
Alle Systeme stützen sich auf den Grundsatz ein Kind = eine Zulage. Daraus ergibt sich:
- dass nur ein Elternteil die Zulage erhält; die Reihenfolge des Anspruchs ist im Gesetz in Art. 7 FamZG festgelegt;
- dass die Zulage unabhängig vom Einkommen der Eltern ausgerichtet wird;
- dass sie unabhängig vom Beschäftigungsgrad ausgerichtet wird. Es gibt also keine Teilzulagen mehr. Die Zulage wird teilzeitbeschäftigten Personen jedoch nur ausbezahlt, wenn sie mindestens 580 Franken pro Monat oder 6’960 Franken pro Jahr verdienen.
Gegenwärtig haben nur Arbeitnehmer/innen (ohne Einkommensbeschränkung) und Nichterwerbstätige (mit Einkommensbeschränkung) Anspruch auf Familienzulagen (Art. 19 FamZG). Ab dem 1. Januar 2013 erhalten jedoch auch Selbständigerwerbende in der ganzen Schweiz Familienzulagen. Am 18. März 2011 hat das Parlament einer solchen Gesetzesänderung zugestimmt.
Seit dem 1. Januar 2011 gibt es ein Familienzulagenregister (Art. 21a und ff FamZG), in dem alle Zulagen zentral erfasst sind, die für Kinder in der Schweiz und im Ausland ausgerichtet werden. Die Öffentlichkeit hat über Internet einen beschränkten Zugang zu diesem Register. Durch Angabe der AHV-Nummer des Kindes und des Geburtsdatums lässt sich so über¬prüfen, ob für ein Kind eine Zulage ausgerichtet wird.
Der Anspruch auf Familienzulagen entsteht und erlischt zur gleichen Zeit wie der Lohnanspruch. Wenn eine Person nicht arbeiten kann, weil sie krank oder verunfallt ist, werden die Zulagen in jedem Fall nach Eintritt der Arbeitsverhinderung noch während des laufenden Monats und der drei darauf folgenden Monate ausgerichtet. Bei einer länger andauernden Krankheit werden die Familienzulagen nach dieser Frist nicht mehr ausgerichtet. Um diese Lücke zu schliessen, können die Kantone für solche Fälle eine Erweiterung ihrer Leistungen vorsehen. Die Familienzulagen werden während des Mutterschaftsurlaubs weiterhin ausbezahlt, jedoch höchstens während 16 Wochen (Art. 10 Abs. 2 FamZG).
Der Anspruch auf Familienzulagen erlischt 5 Jahre nach Ende des Monats, in dem die Leistung fällig war (Art. 1 FamZG und Art. 24 ATSG).
Finanzierung
Die Finanzierung der Familienzulagen erfolgt über die Arbeitgeber, die auf den von ihnen ausgerichteten AHV-pflichtigen Löhnen Beiträge an die Familienausgleichskasse entrichten, denen sie angeschlossen sind.
Der Prozentsatz schwankt je nach Kanton und Kasse. Im Kanton Wallis müssen sich die Arbeitnehmer/innen ebenfalls an der Finanzierung beteiligen.
Gemäss Bundesgesetz besteht keine Beitragspflicht für Personen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Kantone können jedoch unter gewissen Bedingungen eine solche Pflicht einführen, wie dies die Kantone VS, SO, AG und TI getan haben.
Die Finanzierung der Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG) erfolgt durch die Arbeitgeber und die öffentliche Hand.
Leistungen für Mütter und Väter
Die Familienzulagen umfassen:
- Kinderzulage: Sie wird ab und einschliesslich dem Geburtsmonat des Kindes und bis zum Ende des Monats ausgerichtet, in dem es das Alter von 16 Jahren erreicht. Wenn das Kind erwerbsunfähig ist (Art. 7 ATSG), wird die Zulage bis zum Alter von 20 Jahren entrichtet.
- Ausbildungszulage: Sie wird ab dem Monat, in dem das Kind 16 Jahre alt wird, und bis zum Ende seiner Ausbildung ausgerichtet, jedoch höchstens bis zum Ende des Monats, in dem das Alter von 25 Jahren erreicht wird.
Der Begriff der Ausbildung umfasst die Ausbildungen, die in der AHV für den Anspruch auf Waisen- und Kinderrenten anerkannt sind. Es sind dies:
- der Besuch von Schulen oder Kursen, die der Allgemeinbildung oder der Berufsbildung dienen;
- die berufliche Ausbildung im Rahmen eines eigentlichen Lehrverhältnisses, aber auch sonst jede Tätigkeit, welche die systematische Vorbereitung auf eine zukünftige Erwerbstätigkeit zum Ziel hat.
Kein Anspruch auf Ausbildungszulage besteht jedoch für Kinder, deren jährliches Einkommen die volle maximale AHV-Altersrente, aktuell also 27’840 Franken übersteigt (Stand 2012).
Seit dem 1. Januar 2012 werden Ausbildungszulagen auch für Kinder und Jugendliche entrichtet, die eine längerfristige Ausbildung im Ausland absolvieren. Früher wurden diese Zulagen nur während des ersten Jahres der Ausbildung im Ausland ausgerichtet. Diese Praxis wurde jedoch vom Bundesgericht als zu restriktiv eingestuft. Die Verordnung über die Familienzulagen wurde entsprechende geändert und trat per 1. Januar 2012 in Kraft (Art. 7 Abs. 1 FamZV).
Unbezahlter Urlaub
Seit dem 1. Januar 2012 werden die Familienzulagen nach einem Entscheid des Bundesgerichts (BGE vom 23. März 2011, 8C_713/2010) aufgrund fehlender gesetzlicher Grund-lagen während einem unbezahlten Urlaub nicht mehr ausgerichtet. Vor diesem Entscheid wurden sie gleich ausgerichtet wie im Falle einer Arbeitsverhinderung. Um dieses Problem zu lösen, hat der Bundesart die Familienzulagenverordnung geändert und einen Abs. 1bis zum Art. 10 FamZV eingeführt, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Familienzulagen nach Antritt eines unbezahlten Urlaubs noch während des laufenden Monats und der drei darauf folgenden Monate ausgerichtet werden. Die Revision tritt am 1. Januar 2013 in Kraft.
Nach einem Unterbruch aufgrund einer Arbeitsverhinderung oder eines unbezahlten Ur-laubs besteht ab dem ersten Tag des Monats, in dem die Arbeit wieder aufgenommen wird, wieder Anspruch auf Familienzulagen (Art. 10 Abs. 1ter FamZV).
Anrecht auf Familienzulagen
Familienzulagen werden grundsätzlich für alle betreuten Kinder entrichtet, also:
- leibliche und adoptierte Kinder, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht;
- Stiefkinder, wenn das Kind bis zu seiner Mündigkeit überwiegend im Haushalt des Stiefvaters oder der Stiefmutter lebt oder gelebt hat;
- Pflegekinder, die unentgeltlich zu dauernder Pflege und Erziehung aufgenommen werden;
- Geschwister und Enkelkinder, wenn man überwiegend für ihren Unterhalt aufkommt.
Anspruchskonkurrenz und Anspruch auf Differenzzahlung
Da pro Kind nur eine Zulage entrichtet wird, wurde eine Reihenfolge definiert, um zu entscheiden, ob der Vater, die Mutter oder jemand anderer Anspruch auf die Familienzulage hat. Dabei gilt die folgende Reihenfolge (Art. 7 FamZG):
- die erwerbstätige Person;
- die Person, welche die elterliche Sorge hat oder bis zur Mündigkeit des Kindes hatte;
- falls sich der Vater und die Mutter die elterliche Sorge teilen oder keiner von ihnen das Sorgerecht hat, ist die Person anspruchsberechtigt, bei der das Kind überwiegend lebt oder bis zu seiner Mündigkeit lebte; bei einer Scheidung oder Trennung wäre dies also die Person, die sich überwiegend um das Kind kümmert;
- wenn beide Elternteile mit dem Kind leben, was bei verheirateten Eltern der häufigste Fall ist, ist diejenige Person anspruchsberechtigt, die im Wohnsitzkanton des Kindes erwerbstätig ist;
- wenn beide Elternteile im Wohnsitzkanton des Kindes erwerbstätig sind oder keiner von beiden erwerbstätig ist, werden die Familienzulagen an die Person mit dem höheren AHV-pflichtigen Einkommen entrichtet.
Der andere Elternteil oder die zweite anspruchsberechtigte Person hat Anspruch auf den Differenzbetrag, wenn die gesetzlichen Familienzulagen in ihrem Kanton höher sind als im Kanton, in dem die Familienzulagen vorrangig ausgerichtet werden. Kein Anspruch auf den Differenzbetrag besteht, wenn die betreffende Person keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.
Unterhaltsbeiträge und Auszahlung der Familienzulagen an Dritte
Die Familienzulagen sind zusätzlich zu den Unterhaltsbeiträgen zu entrichten (Art. 8 FamZG).
Mit den Familienzulagen sollen die Bedürfnisse des Kindes gedeckt werden, weshalb sie an die Person zu entrichten sind, die sich um das Kind kümmert. Wenn die Zulagen anders verwendet werden, können sie auch direkt an das Kind oder seinen gesetzlichen Vertreter ausgerichtet werden (Art. 9 FamZG).
Nichterwerbstätige Personen
In der AHV obligatorisch versicherte Personen, die bei der AHV als nichterwerbstätige Personen erfasst sind, haben nur dann Anspruch auf Familienzulagen, wenn ihr steuerbares Einkommen den anderthalbfachen Betrag einer maximalen vollen Altersrente der AHV, also 41’760 Franken pro Jahr (Zahlen 2012: 27’840 Franken x 1,5), nicht übersteigt und keine Er¬gänzungsleistungen zur AHV/IV bezogen werden.
Ebenfalls nicht anspruchsberechtigt sind Personen, die eine ordentliche Altersrente beziehen oder die einen Ehegatten haben, der oder die eine solche Rente bezieht, oder die selbstän¬dig¬erwerbend sind. Der Kanton Waadt hat die Einkommensgrenze auf 55’680 Franken erhöht und die Kantone Genf und Jura haben sie ganz abgeschafft. In allen anderen Kantonen gilt die Einkommensgrenze gemäss FamZG.
Die Kantone ZH, BE, FR, GL, BS, BL, AI, SG, GR, AG, VD, VS, NE, GE und JU haben den Kreis der Anspruchsberechtigten leicht erweitert: Arbeitnehmende, deren Einkommen unter der Mindestgrenze liegt, die Anspruch auf Familienzulagen gibt, haben den gleichen Anspruch auf Familienzulagen wie nichterwerbstätige Personen.
Familienzulagen für Selbständigerwerbende
Ab dem 1. Januar 2013 müssen sich alle Selbständigerwerbenden einer Familienausgleichskasse anschliessen.
Ab diesem Zeitpunkt müssen sie Beiträge über ihre Erwerbseinkommen bezahlen und sie haben Anrecht auf die gleichen Leistungen wie Arbeitnehmende, das heisst also mindestens 200 Franken pro Monat für Kinderzulagen und 250 Franken für Ausbildungszulagen. Diese Beträge können je nach Kanton unterschiedlich sein. Einige Kantone richten zudem Geburts- und Adoptionszulagen aus.
Zur Finanzierung dieser Zulagen müssen sich die Selbständigerwerbenden einer Familienausgleichskasse anschliessen. Die Beiträge werden auf der Grundlage ihres AHV-pflichtigen Einkommens berechnet, wobei dieses auf das versicherte Lohnmaximum gemäss UVG nach oben beschränkt ist (aktuell 126’000 Franken, Stand 2012).
Weitere Informationen
Die kantonalen Ausgleichskassen geben gerne weitere Auskünfte. Die Adressen sind auf den letzten Seiten der Telefonbücher oder auf www.ausgleichskasse.ch zu finden.
Die offizielle Website des Bundesamtes für Sozialversicherungen BSV
www.bsv.admin.ch/themen/zulagen/00059/index.html?lang=de enthält unter anderem Angaben über die aktuelle Höhe der Zulagen, die gesetzlichen Grundlagen und einen Vergleich der kantonalen Zulagen. Sie ermöglicht zudem einen begrenzten Zugang zum Familienzulagenregister.